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Prof. Riepl spricht mit der Abendzeitung über die Wirkung der Pflanze

Erschienen in der Abendzeitung München | 09.12.2020

Es sind aufregende Zeiten, viele Menschen klagen über schlechteren Schlaf. Da kann Hopfen helfen – Forscherinnen und Forscher finden immer mehr positive Eigenschaften der Heilpflanze. Im Interview mit der Münchner Abendzeitung (AZ) erklärt Prof. Herbert Riepl, Leiter des Fachgebiets Organisch-Analytische Chemie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf mit Sitz am TUM Campus Straubing, wie die Pflanze wirkt und was Hoffnung macht.

AZ: Herr Riepl, Hopfen kennt man in erster Linie vom Bier, aber ihm werden auch Heil­kräfte nachgesagt. Welche po­sitive Wirkung kann Hopfen denn konkret auf die Gesund­heit haben?

Prof. Dr. Herbert Riepl

Prof. Dr. Herbert Riepl

HERBERT RIEPL: Die Kultur­pflanze ist bereits seit rund 1000 Jahren als Heilpflanze do­kumentiert. Die Wirkungen der Hopfen-Substanzen sind aber wahrscheinlich vielfälti­ger als gedacht. Die entzün­dungshemmende Wirkung wurde vor einiger Zeit bestä­tigt. Weiterhin ist bewiesen, dass der Stoff Xanthohumol unter anderem gegen die Ver­änderung der Erbinformation, bei DNA-Übertragungsfehlern sowie gegen die Tumorbildung wirkt. Die schlaffördernde Wir­kung ist ebenfalls erforscht. Die Hopfenextrakte sind Univer­salwirkstoffe, die sich auch auf Gesundheit und Psyche des Menschen auswirken können. Neu ist, dass manche Inhalts­stoffe ein Regulativ des Fett­stoffwechsels sein könnten.

Wie kann man den natürli­chen Helfer im Alltag nutzen?

Es gibt heute zahlreiche Präpa­rate im Handel, die als leichtes Beruhigungsmittel beziehungsweise als leichtes Schlaf­mittel wirken. Oft sind dies pflanzliche Arzneimittel als Gemisch mit ähnlich wirken­den Pflanzen, etwa Baldrian, Passionsblume oder Melisse. Hier gibt es auch Evidenz, dass sich diese Arzneimittel auf die Ruhephase des Menschen aus­ wirken: So verkürzt sich beispielsweise die Einschlafzeit durch den Zusatz von Hopfen nochmals verglichen mit Baldrian allein.

Welche Bestandteile werden dafür verwendet?

Es sind die Hopfendolden, die hierfür herangezogen werden. Die Dolden entstehen nach der Blüte des Hopfens und können einige Wochen nach der Blüte gepflückt werden. Die Dolden enthalten Lupulin – das sind unzählige gelbe Harzkügel­chen. Lupulin ist auch prägend für den typischen Bierge­schmack.

In welcher Form und Konzen­tration müsste man es am bes­ten einnehmen, damit es eine Wirkung hat?

Das entnimmt man am besten dem Beipackzettel. Generell hängt die Wirkung von der auf­genommenen Menge ab und die ist in den handelsüblichen Prä­paraten durch­aus ver­schieden. Man kann auch mit Hop­fenkissen experi­mentieren.

Wie geht das?

Sie sind mit Hopfendolden ge­füllt, deren gasförmige Abson­derung zur Beruhigung beitra­gen soll. Dabei ist es wichtig, den Hopfen nicht zu lange im Kissen zu lassen, weil sich die Duftstoffe durch bakterielle Tä­tigkeit umwandeln und dann unangenehm zu riechen begin­nen. Auch ein Hopfentee, mit Baldrian und Melisse gemischt, kann schlaffördernd und beru­higend wirken sowie die Ver­dauung anregen.

Gerade jetzt in der Krise haben viele Ängste und Sorgen, wie es weitergeht, oder auch, sich mit dem Virus zu infizieren. Kann sich Hopfen auch hier lindernd gegen die Angst auswirken?

Vermutlich. Deswegen gibt es auch ein Präparat mit Passions-blume und Hopfen. Hopfen wirkt auch selbst leicht beruhi­gend, das geht Hand in Hand mit der schlaffördernden Wir­kung; Wenn man also nicht noch die Sorgen kurz vorm Ein­schlafen immer und immer wieder wälzt, ist das schlafför­dernd.

Wie schnell spürt man bei schlechtem Schlaf eine Wir­kung durch Hopfen-Helfer?

Im Gegensatz zu den Präpara­ten, die man in der Klinik bekommt oder die zur Behand­lung schwerer Fälle eingesetzt werden und die sofort wirken, dauert es bei diesen pflanzli­chen Präparaten lange. Das liegt an der Art, wie sie wirken und davon weiß man immer noch zu wenig. Über einen Zeitraum von zwei, drei Wo­chen sollen die Präparate schon eingenommen werden. Das hat nichts mit der Herkunft der Substanzen aus dem Pflanzen­reich zu tun – Morphin aus dem Schlafmohn beispielswei­se wirkt sofort, aber eben mas­siv und durch einen anderen Mechanismus.

Woran forschen Sie aktuell?

Wir interessieren uns dafür, ob eine bestimmte wenig konzen­trierte Klasse von Verbindun­gen im Hopfenextrakt dabei helfen kann, kaputte Nerven­zellen im Gehirn oder im Rü­ckenmark zum Wachstum an­zuregen, um so die Funktion wieder herzustellen. Dazu ex­trahieren wir diese Substanzen und experimentieren damit in Zellkulturen von Nervenzellen. Die besseren stellen wir dann Neurobiologen in Salzburg und Köln zur Verfügung. Das hat womöglich auch mit der anti­depressiven Wirkung zu tun, weil es Studien gibt, die von ei­nem Nervenzellzerfall bei schweren Depressionen be­richten.

Zum Schluss: Das Feierabend­bier – ist es auch in gewisser Weise gesund?

Also das auf jeden Fall, freilich schon aus psychologischen Gründen!

Interview: Rosemarie Vielreicher