2. Straubinger Nachhaltigkeitsgespräche über nachhaltige Flurnutzung
Bericht erschienen im Straubinger Tagblatt, 5. Mai 2024. Von Manuel Krüger.
Die Verfügbarkeit von Landflächen ist begrenzt und anders als viele Konsumgüter können wir Grund und Boden nicht einfach neu erschaffen. Über den Umgang mit einer begrenzten Ressource.
Michael Maly kämpft für besseren Boden. Leidenschaftlich und aus Überzeugung. Obwohl er am Donnerstag 80 Jahre alt wurde, hat er die Einladung, bei den Straubinger Nachhaltigkeitsgesprächen einen Vortrag zu halten, einer Geburtstagsfeier vorgezogen. Das Thema sei ihm einfach wichtig, so Maly. An diesem Donnerstag geht es in einem Hörsaal im TUM-Campus an der Uferstraße um nachhaltige Landnutzung.
Schon sein ganzes Leben lang hat sich der ehemalige Direktor des Amts für Landwirtschaft und Bodenkultur in Regensburg für den Erhalt der Böden eingesetzt. „Beim Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals haben wir viel Landwirtschaft verloren“, erzählt er. Gegen das BMW-Werk in Regensburg habe er damals auch schon gekämpft. Und nun könnte sich die Stadtentwicklung auch mit dem Weiterbau der B15neu um Neutraubling auf die fruchtbaren Böden des Gäubodens ausdehnen. Den Bau des Batteriemontagewerks bei Straßkirchen sieht er, wenig überraschend, ebenfalls kritisch.
Bereits Ende 2022 hat Maly deshalb das Bündnis zur Bewahrung der besten Böden Bayerns (BBBB) gegründet. Für ihn ist klar: „Wir haben Wasserschutzgebiete, wir haben Naturschutzgebiete – wir brauchen auch Bodenschutzgebiete.“ In Deutschland wird etwa die Hälfte der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Der Anteil schrumpft jedoch kontinuierlich, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in den vergangenen Jahren von 51,1 (2016) auf 50,4 Prozent (2022). 2.430 Quadratkilometer Nutzfläche gingen in diesem Zeitraum verloren. Gleichzeitig nahm die Fläche für Siedlung und Verkehr um 2.648 Quadratkilometer zu.
Die Selbstversorgung muss gesichert sein
Die Sicherstellung der Selbstversorgung mit Lebensmitteln steht für Maly beim Kampf um die Böden an erster Stelle. Dazu kommt die Nachhaltigkeit: nicht mehr so intensiv wirtschaften, weniger düngen, weniger Pestizide ausbringen und für die Artenvielfalt etwas tun. Das mit der Selbstversorgung klappt, sagt Maly. Wenn wir allerdings bis 2050 zum Teil auf Ökolandbau umstellen wollen und auch zehn Prozent Flächen für die Biodiversität bereitstellen wollen, „dann wirds knapp“.
Dann müssten „die nachwachsenden Rohstoffe zum Teil dran glauben“, so Malys gerade in Straubing wohl nicht allzu populäre Antwort. Seiner Ansicht nach beanspruchen vor allem Energiepflanzen für die Erzeugung von Biogas und Biokraftstoffen zu viel Ackerfläche (aktuell 16 Prozent), seien wenig wirksam und zu teuer. Deshalb würden sie auch hoch subventioniert. Riesige Reserven sieht Maly auch in der Reduzierung des Fleischkonsums. Denn die Erzeugung von Fleisch benötigt etwa zehnmal so viel Energie wie die anderer Lebensmittel.
„Jeder hat Fehler gemacht“, sagt Bodenschützer Maly mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte: Die Flurbereinigung bei der Entwässerung, die Forstwirtschaft bei Fichten-Monokulturen, die Landwirtschaft bei Erosion, Schadstoffen und Biodiversität, die Politik beim Flächenfraß und der Verbauung der besten Böden Bayerns. Sein Appell: „Machen wir’s künftig besser, schützen wir unsere Lebensgrundlagen.“
Kritik an der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU
Dieses Ziel eint auch die Teilnehmer der darauffolgenden Diskussionsrunde. Auf die vom Freistaat angepeilte aber noch nicht annähernd erreichte Reduzierung des Flächenfraßes auf fünf Hektar pro Tag bis 2030 angesprochen führt die CSU-Landtagsabgeordnete Petra Högl ins Feld, dass die Planungshoheit letztlich die Gemeinden hätten. Und die Grünen-Politikerin Maria Krieger ergänzt, Gemeinden müssten dafür sorgen, dass sie ihre vielfältigen Aufgaben finanzieren können. Und das passiere eben vor allem über die Gewerbesteuer. Das sei grundsätzlich so angelegt, könne man aber womöglich auch ändern.
Der ehemalige Bauernpräsident Gerd Sonnleitner erklärt, um überleben zu können, müssten landwirtschaftliche Betriebe wachsen. Durch Baumaßnahmen und die dabei nötigen Ausgleichsflächen gingen jedoch auch der Landwirtschaft Flächen verloren. Er schlägt deshalb vor, zur Heranziehung solcher Ausgleichsflächen auch Industriebrachen zu rekultivieren und grundsätzlich verdichteter zu bauen. Agrarreferent Harald Ulmer vom Bund Naturschutz beklagt einen generellen Fehler im System: „Warum behandeln wir die Fläche und die Landwirtschaft genau so, wie jedes beliebige andere Produkt?“ Landwirtschaft habe eine viel größere Funktion und Bedeutung für die Gesellschaft als nur Lebensmittelproduktion. Nur mit dieser Argumentation sei die Gesellschaft auch bereit, mehr Geld auszugeben. Für diese Worte erntete er viel Applaus von den Zuhörern, zu einem Großteil selbst Landwirte. Einige beklagen in einer offenen Fragerunde auch die immer schlechtere Finanzierung und Vergütung landwirtschaftlicher Leistungen, die die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) regelt. Dass diese einfacher werden müsse, da sind sich letztlich alle Podiumsteilnehmer einig.
Das Zufällige fehlt heute in der Landschaft
Landschaft war schon immer von einem starken Wandel gezeichnet, der Mensch hat schon immer kultivierend eingegriffen: Durch verschiedene Landnutzungen, durch Besiedelung, Wegebau, Züchtung, durch Bodenbearbeitung oder den Abbau von Rohstoffen. Nach Ansicht von Professor Werner Konold, bis 2016 Inhaber des Lehrstuhls für Landespflege an der Fakultät für Umwelt und natürliche Ressourcen der Uni Freiburg, dürfe man diese alten Eingriffe nicht romantisieren: Das seien nicht selten Prozesse gewesen, „die wir heute als ganz und gar nicht nachhaltig bezeichnen würden“. Es sei jedoch zigfach belegt, was für eine große Vielfalt und auch „was für eine Eigenart und Schönheit auf allen Ebenen der Biodiversität durch das Kultivieren geschaffen wurde“, wenn auch manchmal erst nach einiger Zeit. Konold nennt es eine „Raum-Zeit-Dynamik gekennzeichnet von hin-und-wieder, hier-und-dort und sowohl-als-auch“. Diese Vielfalt sei fast nie geplant zustande gekommen: „Sie war nutzungsgetrieben und zufällig, gleichsam als Nebeneffekt.“
Für den Diplom-Agraringenieur ist das der Schlüssel dafür, wie wir unsere Landschaft weiterentwickeln müssen. Denn statt zufälliger Strukturen gebe es heute das großflächig Einheitliche, das permanent Intensive (durch Düngung), das immer Flächenscharfe, das Trennende und die hohe Frequenz und die Gleichzeitigkeit von Eingriffen. Alles muss vorhersehbar sein und man versucht, das Zufällige der landschaftlichen Entwicklung zu minimieren. Konold schlägt deshalb vor, scharfe Grenzen aufzulösen und Nutzungsformen wieder zu mischen, unter anderem durch Agroforstwirtschaft mit Bäumen und Sträuchern zwischen den Äckern oder der Ausweitung der Weidewirtschaft.
Felder und Wiesen könnten in Streifen angelegt und Fruchtfolgen erweitert werden. Auch neue Mischkulturen würden die Biodiversität erhöhen: Beim Silomaisanbau könnte man laut Konold zum Beispiel Stangenbohnen einsäen, die die Maispflanzen dann als Kletterstangen nutzen. So habe man ein größeres Blütenangebot, zusätzliche Biomasse und die Leguminosen würden zudem Stickstoff im Boden binden. Nicht genutzte Strukturen wie Ränder, Zwickel oder Gewässerrandstreifen würden die Artenvielfalt erhöhen und die Durchlässigkeit der Landschaft verbessern. Auch Moore müssten nach Ansicht Konolds wieder mehr in den Blickpunkt rücken.