Straubinger Tagblatt | Eva Bernheim | 28.12.2019
Die Feiertage werden die ausländischen Studierenden vom TUM Campus Straubing fern der Heimat verbringen. Doch wie feiern Peruaner oder Brasilianer Weihnachten und Silvester? Das „Straubinger Tagblatt“ hat bei einigen Studierenden nachgefragt.
Dhananjai war schon etwas nervös, gesteht er. Es war das erste Weihnachten seines Lebens. Der Doktorand am TUM-Campus kommt aus Kaschmir in Indien und ist Hindu. „Ich wurde Schritt für Schritt auf das bayerische Weihnachten vorbereitet“, erzählt Dhananjai schmunzelnd, „mit Nikolaus und Plätzchenbacken.“ Der 26-Jährige feierte das Fest mit der Familie seiner Freundin in Straubing. „Mit Kirche und allem Drum und Dran.“
Der junge Wissenschaftler aus Indien ist nicht der Einzige, der die Feiertage fernab der Heimat verbracht hat. Barbara, Valeria, Rade und Dhananjai sind internationale Studenten am TUM-Campus. Sie kennen in ihrer Heimat zum Teil ganz andere Bräuche und Sitten rund um das Fest und den Jahreswechsel. Weihnachten im Sommer, Heiliger Abend ohne „Stille Nacht“ und Silvester am Strand – für viele Menschen bei uns nicht vorstellbar.
Oder eben überhaupt kein Weihnachten. In Dhananjais Heimat gibt es wenige Christen und die Tage um Heiligabend sind zwar arbeitsfrei und man verbringt sie gemeinsam mit der Familie, aber ohne besondere Rituale oder Feierlichkeiten. Ähnlich wie Weihnachten wird allerdings in Indien das Fest der Lichter (Diwali) im Oktober oder November begangen. Schöne Geste für Dhananjai im vergangenen Jahr: Seine Kommilitonen haben ihn zu Diwali mit Geschenken und indischem Essen überrascht.
Reis mit Rosinen und künstlicher Baum
Barbara aus Sao Paulo in Brasilien feierte Weihnachten zusammen mit Freunden. In ihrer WG war kein Platz für einen Christbaum, aber: „Viele meiner Freunde haben Plätzchen gebacken, das ist wie bei mir zu Hause und brachte mich in Weihnachtsstimmung.“ Dort gibt es ebenso einen Adventskalender und einen Nikolaus. An diesem Tag wird auch bereits der Weihnachtsbaum geschmückt, mit Kugeln und Figuren. Großer Unterschied allerdings: „Wir haben immer künstliche Bäume, weil es so heiß ist“, erzählt die 26-jährige Masterstudentin. Traditionelles Weihnachtsessen ist Truthahn, dazu Reis mit Rosinen, und Panettone, ein Kuchen, wie man ihn auch in Italien kennt. Auf die Frage, was sie am deutschen Weihnachten am meisten vermisse, sagt Barbara: „Meine Familie.“
Bescherung erst um Mitternacht
Valeria kommt aus einer kleineren Stadt nicht weit von Lima in Peru. Wie in Deutschland gibt es auch in ihrer Familie einen Adventskranz, an dem jeden Sonntag eine weitere Kerze angezündet wird. „Vor Heiligabend werden die Leute bei uns verrückt“, sagt die 27-jährige Bachelor-Studentin lachend. Um Geschenke zu besorgen, strömten alle Menschen mit Bussen in die Hauptstadt, weil es auf dem flachen Land nicht so viele Einkaufsmöglichkeiten gibt. „Die Kinder bekommen sehr viele Geschenke, von jedem in der Verwandtschaft etwas.“
Der Braten für das Fest ist etwas ganz Besonderes und kommt beim Bäcker in den Ofen. „Es gibt sehr viel zu essen, Schweinefleisch, Reis, Kartoffelsalat, aber keine Plätzchen.“ Unterschied zu Deutschland: Es darf am Heiligen Abend erst um Mitternacht gegessen werden, das Christkind wird auch erst dann in die Krippe gelegt und die Bescherung findet nicht vorher statt. Und: „Wir singen nicht“, sagt Valeria, „alles läuft ganz ruhig ab.“ Wie die letzten acht Jahre feierte sie Weihnachten fernab von Eltern, Oma und Geschwistern und verbrachte den Heiligen Abend bei der Familie ihres deutschen Freundes.
Heiße Schokolade, Bier und Sekt
„Wir haben in Lima viele US-amerikanische Bräuche übernommen“, sagt Valerias Landsmann Rade, der aus der peruanischen Hauptstadt kommt. „Es gibt viele Weihnachtsbäume und Krippen auch an öffentlichen Plätzen und Supermärkten, aber wir kombinieren alles mit traditionellen Elementen, zum Beispiel mit Lamas.“ Dekoration ist sehr wichtig, in Rades Familie blieb der Baum einmal sogar das ganze Jahr stehen, „weil es so viel Aufwand war“, erinnert sich Rade lachend.
Wie in Brasilien sind es Plastikbäume, denn auch an der peruanischen Küste ist es Sommer. „Trotzdem trinken wir am Heiligen Abend heiße Schokolade“, sagt der 27-jährige Masterstudent. Außerdem gibt es Truthahn, Panettone „und viel Bier und Sekt“. Und was weltweit offenbar gleich ist: „Meine Mutter liebt es, Schlafanzüge zu verschenken.“ Dieses Jahr feierte Rade das Fest zusammen mit seinem Bruder in Norddeutschland.
Was alle an der deutschen Advents- und Weihnachtszeit lieben: „Glühwein und Christkindlmärkte“. In Peru seien die Leute neidisch auf weiße Weihnachten, verrät Rade und die anderen nicken. „Als ich das erste Mal am Weihnachtsmarkt war und es fiel Schnee, war ich den Tränen nahe. Es war perfekt.“
Völlig im Gegensatz zu dieser Winterromantik stehen in Brasilien die Bräuche an Silvester. „Oh mein Gott, das ist bei uns so anders“, sagt Barbara und es sprudelt aus ihr heraus. „Wir sind am Strand und alle sind weiß gekleidet.“ Fast alle. Denn wer sich für das neue Jahr etwas Besonderes wünscht, kann auch eine andere Farbe wählen. „Rot für Liebe, Gelb für Geld.“ Aberglaube spiele in ihrer Heimat eine große Rolle, meint die junge Brasilianerin. Ansonsten ist Silvester: Party. „Schon um 12 Uhr mittags wird die erste Flasche Sekt geöffnet, weil es ja der letzte Tag des Jahres ist. Und dann geht das so weiter bis zum Neujahrstag mittags.“ Das Feuerwerk um Mitternacht dauert mindestens 20 Minuten, die Menschen singen und tanzen im Freien. „Mein erstes Silvester in Deutschland war ein Schock für mich“, erinnert sich Barbara, „alle waren schwarz und es war kalt.“
„Wir gehen meistens an Silvester im Restaurant essen“, erzählt Dhananjai, „später gibt es viele Partys mit Musik und Tanz, Feuerwerk und Alkohol und ein bisschen Bollywood.“ Ein neuer Trend sei auch in seiner Heimat, gute Vorsätze für das nächste Jahr zu fassen.
Im Gegensatz zu Weihnachten, das der Familie gehört, ist Silvester für Rade vor allem ein Fest, das man mit Freunden feiert. Farbsymbolik kennt auch der junge Peruaner, allerdings mehr im Verborgenen: „Man muss immer darauf achten, dass man die Unterwäsche in der richtigen Farbe anhat. Gelb bedeutet zum Beispiel Glück.“ Ausgiebige Feuerwerke und viel Alkohol spielten eine große Rolle. „Am nächsten Tag sind meistens alle völlig fertig.“
Stoffpuppen auf der Straße verbrannt
Was in Deutschland der Albtraum eines jeden Feuerwehrmannes oder Brandschutzexperten wäre: In Peru und auch anderen lateinamerikanischen Ländern werden an Silvester Puppen aus alten Kleidern gebastelt und auf der Straße verbrannt. „Es ist ein Symbol für das Schlechte aus dem alten Jahr“, erklärt Valeria, „diese Puppen sitzen dann den ganzen Tag vor der Haustür und um Mitternacht werden sie angezündet. Das macht Spaß.“ Auch Valeria kommt aus einem Ort nahe am Meer. „Es ist Tradition, dass sich alle am Strand treffen und feiern bis zum Morgen.“ Und ihr Landsmann Rade ergänzt: „Dann sind wir auch nicht mehr neidisch auf den deutschen Winter.“