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Maximilian Rothammer im Interview über seine Ukraine-Hilfsaktion

TUMCS | Interview | 25.08.2022

Auch der TUM Campus Straubing hat ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine gesetzt und auf Initiative von Maximilian Rothammer (Doktorand am Lehrstuhl für Biogene Polymere; Prof. Zollfrank) eine Hilfsaktion gestartet.

Im Interview spricht der Doktorand über seine Motivation und seine Reise nach Kiew.

Was war Deine Motivation, eine Hilfsaktion für die Ukraine zu starten?

Nachdem ich am Morgen des 24. Februars erfahren hatte, dass Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, war ich total schockiert und stand komplett neben mir. Nach ein bis zwei Tagen reifte in mir der Entschluss, unbedingt etwas tun zu wollen – besonders als junger Familienvater konnte ich da nicht so einfach tatenlos zuschauen. Das Leid und die Angst der Kinder und deren Familien machten mich wütend und traurig zugleich. Auch das Ausharren der Ukrainer unter oftmals katastrophalen Zuständen und unter menschenunwürdigen Bedingungen ist für uns hier in Deutschland kaum vorstellbar!

Vor Deiner Reise hattest Du enormen Planungsaufwand – welche Hebel musstest Du in Bewegung setzen?

Das stimmt. Ich merkte ganz schnell, dass das eine gewaltige Herausforderung wird. Aber getreu dem Motto meines Opas: „Geht nicht – gibt’s nicht!“ habe ich mich nicht entmutigen lassen und Stück für Stück alle erforderlichen Hebel in Bewegung gesetzt. Die größten Herausforderungen waren neben der Spendenakquise die Planung der Fahrt und das Finden von Kontaktpersonen in Deutschland und der Ukraine, die neben dem Dolmetschen den Zugang zur ukrainischen Logistik ermöglichten und viele andere Hilfestellungen gaben. Namentlich erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch Herrn Dietmar Wydra aus Bonn, der bereits selbst Hilfsgüter in die Ukraine gefahren hat und uns während den gesamten Planungen mit seiner Expertise telefonisch unterstützt hat. Es freute mich sehr, dass sich mein Bürokollege Max Maier spontan bereiterklärte, als Fahrer die Reise mit mir gemeinsam anzutreten.

Deine Hilfsaktion kann als voller Erfolg gewertet werden, Du hast für deine Fahrt auch viele Sponsoren gewinnen können. Wer aller hat Dich unterstützt und hat Dich die positive Resonanz überrascht?

Zuallererst muss ich mich besonders bei meiner Familie bedanken, die mich in dieser Zeit immer unterstützt hat und die den Papa und Mann oft entbehren musste. Auch der TUM Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit hat diese Hilfsaktion an vielen Ecken engagiert unterstützt und fleißig Spenden gesammelt. Die Fachschaft des TUMCS stellte bereitwillig und unkompliziert ihr Konto zur Verfügung, um die Spenden überhaupt einsammeln zu können. Besonderer Dank gilt der Apotheke St. Georg und dem Autohaus Weiss Motors, beide aus Parkstetten. Die Apotheke unterstützte uns bei der gezielten Beschaffung der benötigten Arzneimittel und handelte einen wahnsinnig guten Rabatt beim Großhändler für uns aus. Alexander Weiss stellte uns kostenlos Transportfahrzeuge zur Verfügung und übergab uns eine Transporterladung an Spenden, die er bereits in seinem Autohaus gesammelt hatte. Daneben unterstützten uns noch die Firmen SSR Mineralgestein GmbH, das Ingenieurbüro Schreiner und der Lehrstuhl für Supply and Value Chain Management mit großzügigen Geld- und Sachspenden. Mitarbeiter des gesamten KoNaRos sammelten eifrig Hilfsgüter und spendeten für die Ukrainer. Ich danke selbstverständlich auch allen Helfern, die bereitwillig bei den Vorbereitungen wie dem Spendensammeln, Einkaufen, Packen usw. mithalfen. Alles in allem ist die allgemein große Hilfsbereitschaft besonders zu betonen, die uns allseits zu Teil wurde.

Was ist das Besondere an Deiner Hilfsaktion?

Zum einen waren wir sehr darum bemüht, dass jeder Euro auch wirklich ankommt, indem wir keinerlei Verwaltungskosten oder dergleichen hatten. Zum anderen sorgten wir durch unsere persönliche Übergabe dafür, dass alle Spenden in die richtigen Hände gelangten. Ein weiterer wichtiger Punkt dieser Aktion war, dass die Sachspenden gezielt gesammelt und die Geldspenden für Lebensmittel und akut benötigte Medikamente ausgegeben wurden. Dies war möglich, da wir über unsere Kontaktpersonen in Deutschland, einem ukrainisch-stämmigen Ärzteehepaar aus Bonn, in Verbindung mit dem Kyiv City Clinical Emergency Hospital und den Helfern vor Ort standen und so genau darüber informiert wurden, was aktuell wirklich benötigt wurde. Zu guter Letzt brachte unser ukrainischer Mittelsmann alle Spenden direkt von der polnisch-ukrainischen Grenze nach Kiew, wo sie entweder sofort ins Krankenhaus geliefert wurden oder zu einem Teil sogar bis ins stark umkämpfte Charkiw gelangten. Und dort wurden sie ja bekanntlich mehr als dringend gebraucht!

Schildere doch bitte mal ein paar wichtige Eindrücke Deiner Fahrt nach Kiew!

Unsere Tour startete am späten Samstagabend in Straubing und führte uns über Tschechien und Polen bis an die ukrainische Grenze. Mein Beifahrer und ich sprachen auf der Fahrt oft darüber, wie surreal diese Situation doch ist: Da fährt man gerade einmal ca. 1000 km und ist plötzlich in einem Land, in dem der Krieg wütet – quasi direkt vor der sprichwörtlich „eigenen Haustür“! Ein weiterer Kontrast war, dass dort am Sonntag der Feiertag „Orthodoxe Ostern“ zelebriert wurde, somit alles festlich geschmückt war und gefühlt Tausende Motorradfahrer entspannt unterwegs waren, während nur einige hundert Kilometer entfernt erbittert gekämpft wurde. An besagtem Sonntagmorgen machten wir kurz vor der Grenze zur Ukraine Rast und tauschten uns mit unserer Kontaktperson in der Ukraine aus.

Jetzt wurde es ernst!

Die erste Grenzkontrolle auf der der polnischen Seite verlief relativ problemlos. Die zweite Kontrolle der ukrainischen Beamten hingegen war deutlich akribischer und wir durften erst nach einigen Telefonaten des Zollbeamten mit unserer ukrainisch-sprachigen Kontaktperson in Deutschland weiterziehen. Nach einer kurzen Wartezeit in der neutralen Zone trafen wir auf unseren ukrainischen Kontaktmann, der rasch alle Hilfsgüter – unter den wachsamen Augen des ukrainischen Zöllners – in seinen Sprinter umlud und uns sehr herzlich dankte. Dies erfolgte teilweise mit Händen und Füßen und teils via Telefondolmetscher, da er weder deutsch noch englisch sprach. Ohne ein Wort zu verstehen, aber mit einem Gefühl von tiefer Empathie und gegenseitiger Wertschätzung verabschiedeten wir zuvor völlig Fremde uns wie Freunde mit einer festen Umarmung. Sogar der plötzlich ganz gelöst wirkende Zollbeamte „drückte“ uns zum Abschied! So traten wir sichtlich ergriffen und glücklich unsere Heimreise an. Nach einer langen und phasenweise auch sehr anstrengenden Fahrt erreichten wir am Montag in den frühen Morgenstunden gänzlich erschöpft, aber dennoch wahnsinnig glücklich Straubing.

Welche Hilfsgüter und welchen Betrag an Spendengeldern durftest Du in der Ukraine an den Mittelsmann übergeben?

Die Spendenbereitschaft war enorm, wofür wir uns an diese Stelle nochmals herzlichst bedanken möchten! So konnten wir Lebensmittel im Wert von über 2000 Euro und Medikamente und Verbandsmaterial im Wert von mehr als 5000 Euro übergeben. Außerdem wurden noch zahlreiche Sachspenden wie Lebensmittel, Verbandsmaterial, Hygieneartikel, Wasseraufbereitungsequipment, Nahrungsmittel, Schlafsäcke, Kleidung, Babynahrung und Windeln sowie viele weitere nützliche Dinge in die Ukraine gebracht. Somit dürfte das gesamte Spendenvolumen deutlich über 8000 Euro liegen.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine scheint noch lange nicht vorbei. Spielst Du mit dem Gedanken, eine weitere Hilfsaktion auf die Beine zu stellen?

Auf jeden Fall! Zum einen wird der Krieg wahrscheinlich leider nicht in Kürze beendet sein und zum anderen zeigt die aktuelle Entwicklung, dass durch den anhaltenden Beschuss von ukrainischen Städten und Dörfern auch weiterhin jede Hilfe dringend benötigt wird. Besonders erfreulich war in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es einige unserer Medikamente – wie bereits erwähnt – bis nach Charkiw geschafft haben. Motiviert durch diesen Erfolg und bewegt von dem anhaltenden Leid der ukrainischen Frauen und Männer und besonders der Kinder wollen wir im Herbst nochmal eine Hilfsaktion durchführen! Hierfür bitten wir höflich um Spenden, die unter folgender Kontoverbindung gesammelt werden:

Empfänger: Fachschaft Straubing e.V.
IBAN: DE45 8306 5408 0005 2363 63
BIC: GENODEF1SLR
Verwendungszweck: „Ukrainehilfe“

Bitte geben Sie unbedingt den oben genannten Verwendungszweck bei der Überweisung an. Bei Bedarf können auch Spendenquittungen ausgestellt werden, hierfür senden Sie bitte eine E-Mail mit Betreff „Spendenquittung Ukraine“ an fachschaft@cs.tum.de.

Die Firmen, die uns großzügig unterstützt haben und der TUMCS mitsamt dem ganzen KoNaRo sind auch wieder mit von der Partie! In diesem Sinne herzlichen Dank an alle Helfer, Unterstützer und Spender – jeder Euro zählt!

Vielen Dank für das Interview!