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Prof. Dr. Volker Sieber, Rektor des TUM-Campus Straubing. Foto: Uli Benz

Rek­tor Vol­ker Sie­ber über den Start des TUM-Cam­pus und was noch ge­sche­hen muss

Prof. Dr. Volker Sieber (47) ist der erste Rektor am neuen Campus der Technischen Universität München (TUM) in Straubing. Mit Beginn des Wintersemesters 2017/18 hat er die Leitung übernommen, in Personalunion mit der Führung des Fraunhofer-Institutsteils BioCat. Es gehe sehr gut voran, sagt Sieber im Interview, die für dieses Jahr geplanten neuen Professuren würden zügig besetzt. Allerdings müsse bezüglich des Wohnungsangebots noch „sehr viel mehr“ passieren in der Stadt. Studienbewerber hätten absagen müssen, weil sie keine geeignete Wohnung fanden.

Herr Prof. Sieber, haben Sie sich gut eingelebt in Ihrer neuen, verantwortungsvollen Führungsaufgabe als Rektor?

Sieber: Ja, man wächst in eine solche Aufgabe auch hinein, vieles ist aber auch noch im Entstehen. Der Campus ist eine neue Organisationsform, die in die TU München noch vollständig integriert werden muss.

Auch persönlich sind Sie gut angekommen?

Ja, ein uneingeschränktes Ja.

Zusätzlich sind Sie noch Chef des Fraunhofer-Institutsteils BioCat. Wie lassen sich diese Führungsaufgaben zusammenbringen? Oder geben Sie eine davon ab?

Beides ist für den Moment noch handhabbar, vor allem auch deswegen, weil ich sehr gute Mitarbeiter auf beiden Seiten habe, die mir den Rücken freihalten. Ich bin vorerst für ein Jahr bestellt. Im Mai sind Rektorenwahlen für die im Oktober beginnende neue Legislaturperiode und dann werden wir sehen, wer sich zur Wahl stellt und wer gewählt wird.

Wie geht es voran mit dem Auf- und Ausbau des neuen TUM-Campus’ Straubing?

Sehr gut. Wir sind dabei, in diesem Jahr acht neue Professuren zu besetzen, die Verfahren laufen und ich gehe davon aus, dass wir das bis Herbst schaffen werden.

Inwieweit hat der Großbrand im ehemaligen Jugendzentrum die Entwicklung behindert?

Der Brand trifft uns natürlich hart. Im Moment geht es noch, aber wenn im Laufe des Jahres die neuen Professuren kommen, benötigen wir dringend die so verlorenen Räume. Wir planen deshalb gerade, große Büroflächen anzumieten.

Was ist zu tun, vonseiten der Stadt Straubing, von der Wirtschaft, der Politik? Gibt es zum Beispiel ausreichend Wohnungen für Lehrende und Studierende?

Leider haben Studienbewerber mit der Begründung abgesagt, dass sie keine geeignete Wohnung fänden. Hier muss meiner Meinung nach noch sehr viel mehr passieren. Studierende und natürlich sämtliche Beschäftigten am Campus brauchen vernünftigen Wohnraum.

Mit dem Wintersemester 2017/18 hat der Campus offiziell seinen universitären Lehrbetrieb aufgenommen. Wie läuft’s?

Es läuft gut. Wir bauen hier etwas ganz Neues auf, ohne schon alle Professuren besetzt zu haben, das bedarf einer gewissen Flexibilität bei der Umsetzung. Wichtig ist, dass wir alle Lehrinhalte wie geplant anbieten können, was nur dank hohen Engagements der Mitarbeiter gelingt.

Auf Anhieb fast siebenhundert Bewerbungen zum Start des TUM-Campus Straubing – ein guter Auftakt, oder?

Absolut, ja. Wenn die alle gekommen wären, dann hätten wir massive Probleme, weil wir ja erst im Aufbau der neuen Studiengänge, der Räumlichkeiten und des Personals sind. Am Ende sind es immer weniger Studienanfänger als Bewerber, weil sich viele an mehreren Standorten bewerben und dann dort absagen, wo es zum Beispiel schwierig ist, eine Wohnung zu finden. Derzeit haben wir rund 270 Studierende auf dem Campus.

Biotechnologie und Nachhaltigkeit sind Zukunftsthemen. Kann der Campus, kann das Kompetenzzentrum insgesamt, die Ideenschmiede für die notwendige Rohstoff- und Energiewende werden?

Der Campus ist auch heute schon eine Ideenschmiede. Hier entstehen neue Produkte und Technologien, wie man zum Beispiel an den Patentanmeldungen und Veröffentlichungen sieht. Wir haben bereits mehrere Unternehmensausgründungen und es wird weitere geben. Mit unserem Ausbau und mehr Studierenden wird nun noch mehr Power dahinter stehen.

Die Berge an Plastikmüll sind ein akutes zu lösendes Problem. Was kann der Wissenschaftsstandort Straubing beitragen?

Wir beschäftigen uns mit biobasierten Polymeren, die biologisch abbaubar sein können. Nachhaltigkeit bedeutet auch Kreislaufwirtschaft, also den Plastikmüll nicht nach China oder anderswohin verschiffen und verbrennen, sondern sammeln und verwerten. Hier ist auch der Bogen zum Fraunhofer-Institutsteil BioCat zu schlagen, wo wir uns diesem Thema ebenfalls sehr intensiv widmen.

Kann man von internationaler Strahlkraft sprechen? Der frühere Direktor Faulstich sprach stets von einem europaweiten Alleinstellungsmerkmal.

In jedem Fall. Wenn man alles am Standort Straubing betrachtet und zusammennimmt, insbesondere auch den Industriepark und Bio-Campus in Straubing-Sand, der ja noch weiter ausgebaut werden soll, dann trifft das zu. Hier die gesamte Kette darstellen zu können, vom Studierenden bis hin zur industriellen Umsetzung, das ist besonders wichtig, auch wenn natürlich andere Regionen in Europa am Thema Nachwachsende Rohstoffe arbeiten und diese Standorte mit sehr viel Geld ausgebaut wurden. Wir sind sicher nicht allein in Deutschland und Europa, aber wir sind auf jeden Fall ganz vorne mit dabei.

Blicken wir 20 Jahre voraus, wenn Sie das Pensionsalter erreichen. Wie wird der Campus dann einmal dastehen?

Die Frage der Nachhaltigkeit ist ein Thema, das zunehmend einbezogen werden muss. Im Endeffekt geht es um nachhaltige Produkte und die Erkenntnis, wie wir richtig mit unserem Planeten umgehen. Unser Campus wird wachsen, wir werden international wachsen. Deshalb werden wir auch bald manche Studiengänge auf Englisch anbieten.

TUM-Präsident Herrmann hält 5000 Studierende und 100 Professoren für möglich. Einverstanden?

Natürlich, ich werde mich hüten, meinem Chef zu widersprechen (lacht).

Quelle: Straubinger Tagblatt, 27.01.2018, Interview: Bernhard Stuhlfelner