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Taiwanischer TUM-Student macht Praktikum beim ZAW-SR – Schüler reinigen die Schule

Von Ursula Eisenmann | Straubinger Tagblatt | 14.05.2020

Hsiao-Yung Chien, Student am TUMCS

TUM-Student Hsiao-Yung Chien stammt aus Taiwan und macht beim ZAW-SR derzeit ein halbjähriges Praktikum. Foto: Ursula Eisenmann

Was haben Beethovens „Für Elise“ und Abfall gemeinsam? In der Stadt Taichung in Taiwan sehr viel. Mit der bekannten Melodie kündigt sich die Müllabfuhr an. Dann strömen die Anwohner mit ihren Mülltüten raus auf die Straße und werfen sie in den Müllwagen. So ist es in der Familie des TUM-Studenten Hsiao-Yung Chien, der gerade beim Zweckverband-Abfallwirtschaft Straubing Stadt und Land (ZAW-SR) ein halbjähriges Praktikum macht.

Hsiao-Yung Chien ist 28 Jahre alt und studiert am TUM-Campus Straubing seit Oktober 2018 Nachwachsende Rohstoffe im Master. Vorher hat er in Taiwan in Chemie seinen Bachelor gemacht. Weil Chien nicht nur reine Chemie machen wollte, entschied er sich für den Studiengang NawaRo, der ihm viele Möglichkeiten eröffnet. Als Schwerpunkt wählte der Taiwaner die Ökonomie. Nach dem Praktikum beim ZAW-SR möchte er seine Masterarbeit schreiben – das Thema ist noch offen.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit sehr wichtig

Die Vorlesungen am TUM-Campus werden auf Deutsch gehalten. Im Vorfeld besuchte Chien ein Jahr lang in München die Sprachenschule. „Anfangs verstand ich von den Vorlesungen ungefähr 50 Prozent, inzwischen fast alles“, sagt er. Der Studiengang NawaRo gefällt ihm sehr gut. Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit hält Chien für sehr wichtig. Er habe am TUM-Campus viele andere Aspekte kennengelernt. „Die nachhaltige Chemie war ganz neu für mich.“ Davon habe er während seines Studiums in Taiwan nie gehört.

Die Stadt Straubing findet Chien „sehr schön“. Hier könne man wegen kurzer Entfernungen mit dem Fahrrad überall hinfahren. Er habe viele nette Kommilitonen, mit denen er sich vor der Corona-Krise gerne an der Donau, im Freibad oder auf dem Gäuboden-Volksfest getroffen habe. Weil die Uni klein sei, kenne man sich gut. Er mache beim Uni-Sport im Volleyball mit und spiele Badminton im Verein – beides pausiere aber im Moment.

Die deutsche Küche mundet Chien: „Nur manchmal ist mir das Essen zu salzig. Und es gibt viel Brot.“ In Taiwan gebe es Brot nur zum Frühstück, mittags und abends werde warm gegessen. Seine Kommilitonen jedoch ließen sich abends beispielsweise Brot mit Würstchen schmecken. Zwei Lieblings-Nachspeisen hat Chien: Kaiserschmarrn und Apfelkücherl. Er kocht sich oft selbst, wie in Sesamöl gebratene Eier mit Tomaten und Frühlingszwiebeln.

Das Praktikum beim Zweckverband Abfallwirtschaft seit März findet Chien „sehr interessant“. Er habe ein paar Tage mit der Müllabfuhr mitfahren dürfen. „Da waren manche meiner Mitstudenten neidisch. Sie hatten sich das seit ihrer Kindheit schon gewünscht.“ Beim Wertstoffhof habe er mitgearbeitet und auch einen Einblick ins Kompostwerk Aiterhofen erhalten. Doch wegen der Coronakrise sei er nun im Büro des Zweckverbands.

Die Müllabfuhr kommt fast jeden Tag

„Für Elise“ von Beethoven signalisiert in Chiens Heimatstadt Taichung, dass die Müllabfuhr kommt. Dann heißt es schnell raus und den vorsortierten Müll entsorgen. Für seine Oma sei das eine schöne Gelegenheit, sich mit den Nachbarn zu unterhalten, erzählt Chien. Die Müllabfuhr komme fast jeden Tag. Restmüll, Biomüll, Metall, Papier und Plastik werden getrennt erfasst. In den ersten Müllwagen gehöre der Restmüll, in die folgenden Wagen Biomüll und Wertstoffe, hier helfen Arbeiter sortieren.

In Taiwan liegt nach Ansicht Chiens weniger Müll an Straßenrändern und in Grünanlagen als in Deutschland. Seine deutschen Freunde hätten sich bei einem Besuch in Taichung darüber gewundert, dass die Straßen in Taiwan so sauber sind. Und das, obwohl sie öffentliche Mülleimer in Taiwan kaum gefunden haben. Wie die meisten Taiwaner stecke er seinen Müll in die Hosentasche und nehme ihn mit nach Hause, erklärt Chien.

Schüler putzten ihre Schule täglich selbst

Taiwanesische Schülerinnen beim Reinigen ihrer Schule

In seiner Heimat reinigen die Schüler ab der Grundschule bis zur zwölften Klasse die Schule selbst. Foto: Privat

Vielleicht hat das mit einem ungewöhnlichen Reinigungs-Konzept in Taiwans Schulen zu tun: Die Schüler ab der Grundschule bis zur zwölften Klasse reinigen die Schule selbst, berichtet Chien. Klassenzimmer, Fenster, Tafel, Boden, Außenanlagen mit Spielplatz und Basketballfeld werden gemeinsam von den Mädchen und Buben saubergemacht inklusive Müll sammeln und sortieren. Sogar Büros von Lehrern und Toiletten stünden auf dem Plan sowie ein Putztag in den Sommerferien. Klassenweise würden die Schüler zu den Arbeiten eingeteilt. „Bei mir war das zwei Mal am Tag der Fall. Früh und nachmittags habe ich 15 bis 20 Minuten sauber gemacht.“ Chien findet das gemeinsame Putzen gut. Am liebsten habe er draußen saubergemacht und das Kehren oder Müll sammeln mit einem Spaziergang verbunden.

Für die siebten bis zwölften Klassen wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die Lehrer vergaben Punkte für Sauberkeit. Jeden Monat wurde ein Sieger ermittelt und die sauberste Klasse ausgezeichnet.

Nur 440 Infizierte bei 24 Millionen Einwohnern

Taiwan gilt als vorbildlich für den Umgang mit dem Corona-Virus. Bei fast 24 Millionen Einwohnern gebe es derzeit 440 bestätigte Infektionen und sieben Todesfälle. Seit vier Wochen habe es keine neuen Infizierten mehr im Land gegeben. „Die Menschen tragen trotzdem weiter Mundschutz.“ Auch in den taiwanischen Schulen werde weiterhin Mund-Nase-Schutz getragen und auf Desinfektion gesetzt. Grundschüler beispielsweise müssten zu Hause ihre Körpertemperatur messen und nochmal in der Schule. Desinfektionsmittel-Spender seien in jedem Gebäude, auch in jedem Supermarkt, die Regel – schon vor Corona. Die aktuellen Lockerungen in Bayern hält Chien für „ein bisschen zu schnell“. Die Leute hielten beim Kaffeetrinken im Freien keinen Abstand.

Familie und Freunde vermisst Chien „ein bisschen“. Es war geplant, Ende Februar nach Hause zu fliegen. Doch wegen der Corona-Pandemie, die Taiwan schon seit Ende Januar beschäftigt, stornierte Chien den Flug. Nun hofft er, im Sommer oder Herbst nach Hause fliegen zu können. Zuletzt war er im Februar 2019 dort.