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Simon Härtl vom TUM Campus Straubing vor einer Versuchsanordnung für Sensoren, die Leistung und Ausstoß von Verbrennungsmotoren ermitteln.

Wie das Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe zur Mobilität der Zukunft beiträgt

Vom Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (KoNaRo) dürften alle Straubinger schon mal gehört haben. Und viele werden die Gebäude an der Schulgasse schon gesehen haben – von außen zumindest. Mancher wird sich noch erinnern, dass dort früher mal das Männerkrankenhaus beheimatet war. Und mancher wird sich beim Vorbeifahren die Frage stellen: Was machen die da eigentlich? Diese Frage haben wir gestellt und gemeinsam mit dem KoNaRo eine Serie gestartet. Wir zeigen auf, wie die drei Säulen der Einrichtung – CARMEN, Technologie- und Förderzentrum sowie Wissenschaftszentrum, sprich TUM Campus für Biotechnologie und Nachhaltigkeit – mit ein und dem selben Thema umgehen und – beispielhaft – welche Menschen dahinterstehen. Unser nächstes Stichwort heißt Mobilität. Unser Anspruch dabei: Beispiele finden, unter denen sich jeder etwas vorstellen kann. Denn es ist richtig spannend, was die da so machen. Pro Tag werden in Deutschland im Personenverkehr 102 Milliarden Wege zurückgelegt, bilanziert das Statistische Bundesamt für 2010. Durchschnittlich sitzen in einem Personenwagen 1,5 Personen. Frei- zeit und Einkaufen machen statis- tisch 50 Prozent der Wegstrecken aus. Die Zunahme von Einperso- nenhaushalten und die Verände- rung der Altersstruktur machen sich bemerkbar. Anfang 2017 waren 46 Millionen Autos in Deutschland zugelassen. Auf je 1000 Einwohner kommen 668 Kraftfahrzeuge. Zah- len, die zu denken geben. Mehr noch, wenn es um die Zukunft geht. Abgas-Skandal, Diesel in Misskre- dit, schleppende Bereitstellung von Elektroauto-Modellen. Und der Klimaschutz ist vor allem ein guter Vorsatz. „Die Steinzeit endete nicht aus Mangel an Steinen, und die Öl- zeit wird nicht enden aus Mangel an Öl“, hat der frühere saudische Öl- Minister Ached Yamani gesagt. Und Christian Rehtanz, Dortmunder Energieforscher hat es 2011 so for- muliert: „Der Bürger will kein Ben- zin, er will fahren. Er will keinen Strom, er will Licht“. Und schließ- lich der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau: „Die Bürger müssen wissen, dass in unseren Städten we- niger Automobile nicht weniger, sondern mehr Lebensqualität be- deuten.“ Was passiert in diesem Spannungsfeld am KoNaRo? Mit dem „geringeren Kraftstoffverbrauch im Motor durch den Einsatz von Zylinderdrucksensoren“ beschäftigt sich Simon Härtl im Bereich Energietechnik am TUM Campus Straubing. Zu Simon Härtls Aufgabe am Lehrstuhl gehört auch, Übungen für Studenten zu halten in den Fachgebieten Physik und Elektrotechnik. Er betreut Abschlussarbeiten und Forschungspraktika. Der gebürtige Allgäuer hat in Kempten Maschinenbau studiert und seine Abschlussarbeit bei Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mayer geschrieben, der von Anfang 2013 bis Ende 2014 die Professur für „Rohstoff- und Energietechnologie“ in Straubing innehatte. Prof. Mayer hat seinem Studenten in Straubing eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter angeboten, parallel hat Simon Härtl das Masterstudium Nachwachsende Rohstoffe absolviert. Seit Anfang 2016 ist er Doktorand am Lehrstuhl für Energietechnik bei Prof. Dr. Josef Kainz und befasst sich mit Fragen der Optimierung des Verbrennungsmotors. Sein Ziel ist, jenseits des Prüfstands bessere Informationen über den Brennverlauf zu gewinnen. Dazu entwickelt er gemeinsam mit dem Unternehmen Continental mit Sitz in Regensburg Modelle und Software für einen Sensor, der die nötigen Daten liefert, um per spezieller Software Schlüsse zu ziehen, wie Einstellmöglichkeiten verbessert, die Motor-Effektivität gesteigert sowie Kraftstoff eingespart und insbesondere Kohlendixidausstoß reduziert werden können. Continental finanziert seine Stelle projektabhängig und bietet ihm hierzu Zugriff auf seine Infrastruktur mit Messständen und Fahrzeugtechnik. Er pendelt deshalb regelmäßig nach Regensburg. Simon Härtl ist sicher, „der Verbrennungsmotor wird uns auch weiterhin begleiten“, allerdings mit deutlicher Verbesserung bei Kraftstoffverbrauch und Ausstoß von Emissionen. „Wir wollen die maximale Information aus dem Zylinder holen für das bestmögliche Ergebnis“, sagt er und schickt hinterher, das Einsparen von Kraftstoff und Schadstoffausstoß sei im Sinne der Umwelt, der Kunden und auch der Industrie. Was hat er für Vorstellungen von der Mobilität der Zukunft? Wie gesagt, den Verbrennungsmotor – in modifizierter Form – sieht Simon Härtl noch länger auf der Straße, dazu vielleicht ein paar Nischenprodukte von Wasserstoff-Fahrzeugen. Die seien freilich technisch sehr aufwendig, noch wenig wirtschaftlich und es fehle die nötige Infrastruktur. Die Batterie werde über kurz oder lang Thema, meint er. Für 2040 bis 2050 prognostiziert er einen „erheblichen Anteil an Elektro-Mobilität“. Bis dahin sieht er jedoch noch einige Hürden: Die Frage bisher mangelnder Reichweite ebenso wie die erheblichen Wirkungsgradverluste beim Laden der Akkus. Die Akkus müssten deutlich verbessert werden, so dass lange Strecken zu akzeptablen Preisen zurückgelegt werden könnten und man wisse, wo der Strom denn tatsächlich herkommt. „Unser Stromnetz ist bisher nicht ausgelegt für die künftigen Bedarfe, bei jetzigem Umfang würde das Netz ständig zusammenbrechen.“ Am besten wäre seiner Einschätzung nach eine Übergangslösung für 20 bis 30 Jahre mit gasbetriebenen Fahrzeugen, am besten aus regenerativen Quellen.

Johannes Ettl vom Technologie- und Förderzentrum am Prüfstand für einen Rapsölbetriebenen Traktor im Technikum.

„Rapsölkraftstoff im landwirtschaftlichen Praxiseinsatz“ ist das Arbeitsfeld von Johannes Ettl am Technologie- und Förderzentrum. Er arbeitet an der Schnittstelle von Forschung und Praxis, hat an der Hochschule Weihenstephan/Triesdorf Landwirtschaft studiert und in Straubing seinen Master in Nach- wachsenden Rohstoffen absolviert. „Als einer der ersten Jahrgänge“, erzählt er. Da war der Weg in seinen Augen nicht mehr weit zu dem jetzigen Forschungsprojekt, das er am TFZ betreut. 20 pflanzenbetriebene Traktoren sind dazu in den staatlichen Versuchsgütern in Bayern im Einsatz. Ettl plant und realisiert Prüfstandsaufbauten, misst dann unter anderm auf dem Traktoren-Prüfstand im Technikum Kraftstoffverbrauch, Leistung und Abgas-Emissionen und zieht daraus seine Schlüsse. Das TFZ setzt auch portable Emissions-Messtechnik (PEMS) ein, um Erkenntnisse aus dem realen Betrieb zu erhalten, mit keinen nennenswerten Unterschie- den übrigens.. „Klassisches Monito- ring“, sagt er. Auf Basis dieser Er- kenntnisse berät er die Versuchsbetriebe, gibt Tipps zu Motorölqualität bis Störungsbeseitigung, und ist bei Tagungen und Info-Veranstaltungen präsent. Im Nebenerwerb betreibt Johannes Ettl eine Landwirtschaft in Konzell. Deshalb kommt ihm der nahe Arbeitsplatz in Straubing mehr als recht. „Optimal“, sagt er. Rapsölmotoren in der Landwirtschaft beschreibt er als praxisreif. Die neuen Abgas-Nachbehandlungssysteme kämen damit zurecht, die Emissionen und die Motorenleistung seien mit Diesel vergleichbar, aber die Ersparnis an Kohlendioxid-Emissionen betrage bis zu 91 Prozent. Und das ist ja das Entscheidende. Kurzfristig lasse sich ein großer Effekt erzielen, ohne einen neuen Motor entwickeln zu müssen, erklärt er. Weiterer Vorteil sei, dass Wertschöpfung im ländlichen Raum passiere, denn das verwendete Öl stamme aus bayerischen Ölmühlen. Raps habe viele Vorteile. Die Blühflächen kämen den Bienen zugute. Kraftstoff-Lecks seien unproblematisch, für den Gewässerschutz unschätzbar. Der Kraftstoff sei zudem leicht zu tanken und zu lagern. Die Landwirtschaft bekomme den abgepressten Raps-„Kuchen“ zurück und könne ihn als hochwertiges Futtermittel einsetzen. Der Ertrag sei ein Drittel Pflanzenöl und zwei Drittel Raps- presskuchen für die Tierfütterung. Der Lebensmittelertrag sei also höher als der Energieertrag. Aktueller Hemmschuh für eine breitere Nachfrage von Rapsöl als Kraftstoff in der Landwirtschaft seien die immer noch günstigen Preise für fossile Energieträger. Der Geldbeutel entscheidet auch hier. Dabei habe man angesichts von zwei Millionen Liter Diesel, die die Landwirtschaft verbrauche, hier eine Chance, schnell Treibhausgas einzusparen und gleichzeitig die regionale Landwirtschaft zu stärken, rückt er die Vorteile in den Blick.

Hubert Maierhofer von CARMEN mit einem Modellfahrzeug, das mit solarem Wasserstoff fährt.

Mit Beratung und Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Biogas und Mobilität ist Hubert Maierhofer bei CARMEN, dem Centralen Agrar Rohstoff Marketing und Energie-Netzwerk befasst. Der Diplom-Ingenieur wohnt in Regensburg und fährt täglich umweltfreundlich mit der Bahn nach Straubing an seine Arbeitsstelle im KoNaRo. Sein Auto hat der Familienvater kürzlich abgeschafft, erzählt er von seinen ersten Erfahrungen mit Car-Sharing, das in Regensburg angeboten wird. Er spricht nicht nur von Alternativen zu üblicher Mobilität, er praktiziert sie selber. Elektromobilität ist ein großes Thema für ihn, wobei er gleich hinterherschickt, man müsse gleichzeitig die Frage stellen, wo der Strom denn herkomme. Idealerweise sollte man über die Photovoltaikanlage auf dem Hausdach sein Fahrzeug mit Energie betanken können. Das Schnell-Laden an Biogas- und PV-Anlagen müsse als Thema noch viel mehr in die Öffentlichkeit kommen. Jetzt ist es noch ein Randthema.“ Es fehle einfach noch an der Infrastruktur. Maierhofer hat ein Beispiel: Beim einem kürzlichen CARMEN-Fachgespräch seien drei Teilnehmer mit Elektro-Autos angereist. Strom gebe es überall, aber nicht immer sei problemloses Laden möglich. Er hält staatliche Programme dafür für unerlässlich. Bisher beschränke sich die Innovation auf wenige sehr aufgeschlossene Leute, die E-Fahrzeuge oder Plug-IN-Hybride ausprobierten. Jeweils ein Prozent betrage der Anteil an den Fahrzeugen auf der Straße. Von den Autos seien die meisten begeistert, aber die Sorge um die Reichweite sei ein Hemmnis. Man denke nur an Urlaubsfahrten. Und dann das Geld, denn ein E-Auto sei doch 5000 bis 10000 Euro teurer als ein gängiges Benzinfahrzeug, obwohl der Akku schon heute 200000 Kilometer halte. Die Anschaffung sei teurer, das wiege bisher die billigere Wartung und das wirtschaftlichere Fahren nicht auf. In fünf Jahren, so seine Prognose, werde man deutlich weiter sein. In Norwegen zum Beispiel betrage der Marktanteil an E-Autos schon heute 30 Prozent. Sie seien zum Teil günstiger zu haben als konventio- nelle Verbrennungsmotor-Autos. Fahrverbote in Innenstädten und vor allem höhere Benzinpreise könnten die Entwicklung beschleunigen. Der Gesetzgeber habe dazu einiges in der Hand, meint Maierhofer. Aber viel mehr als Verbote könne die Begeisterung der Leute ausrichten und ein spürbarer Gewinn an Lebensqualität. Und auch die Mentalität der Menschen müsse sich langfristig ändern. Autos, so hofft er, würden künftig weniger als heute als Mittel der Selbstdarstellung gelten. Die Einstellung müsse sich ändern. Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit seien doch eigentlich die erstrebenswertesten Kriterien. Eine Revolution sieht er nicht auf uns zurollen, es sei vielmehr ein stetiges Arbeiten an einem Umdenken. Car-Sharing kann in seinen Augen auch auf dem Land funktionieren, wo man auf das Auto angewiesen ist. Es sei eine Frage des Engagements. Zukunft gibt er auch dem autonomen Fahren. In der Landwirtschaft gebe es längst selbstfahrende Maschinen in beträchtlichem Anteil. „Der Fahrer überwacht nur noch.“ Mit nachwachsenden Rohstoffen befasst sich Hubert Maierhofer, der in Regensburg Maschinenbau studiert hat, schon lange. Er war, abgesehen von einem dreijährigen beruflichen Intermezzo in München, bei CARMEN schon vor dem Umzug von Rimpar nach Straubing tätig. Seine Einstiegsthemen waren Heizen mit Holz und Biokraftstoffe. Heute begeistern ihn die Facetten alternativer Mobilität. Und die fängt beim Fahrrad an. Zwei Millionen Elektrofahrräder seien schon auf deutschen Straßen präsent, gibt er zu bedenken. Und 3000 Fahrzeuge der Post aus eigener Herstellung seien unterwegs, weil die deutschen Hersteller nichts Passendes anbieten konnten. „Die Mobilität hinkt den Klimaschutzzielen aktuell noch hinterher.“ Aber es gibt schon mal ein paar Lichtpunkte. Zeit wird´s.

Quelle: Straubinger Tagblatt Autorin: Monika Schneider-Stranninger