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Wie lässt sich Kunststoff minimieren? Das wollte „VerPlaPos“ herausfinden

Von Marie Schmid, erschienen im Straubinger Tagblatt am 01.03.2021

„VerPlaPos“ oder Verbraucherreaktionen bei Plastik und dessen Vermeidungsmöglichkeiten am Point of Sale – das klingt kompliziert. Gemeint ist damit ein Forschungsprojekt der Stadt Straubing zusammen mit verschiedenen Hochschulen wie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und dem TUM Campus Straubing (TUMCS), lokalen Partnern aus der Wirtschaft und anderen Institutionen. Dreieinhalb Jahre lief das Projekt. Die Forscher untersuchten etwa, wie die Menschen Verpackungsalternativen im Supermarkt annehmen. Nun gab es online die Abschlussveranstaltung.

Studenten mit Proband in einem Supermarkt

Mit solchen Eye-Tracking-Brillen schickte man vor zwei Jahren die Kunden im Edeka-Markt „Stadler + Honner“ los. Archivfoto: Ulli Scharrer

Darum ging es: Die Experten untersuchten, wie Verbraucher durch ihre Kaufentscheidung – etwa im Supermarkt – das Entstehen von Kunststoffabfällen vermeiden können und inwiefern man ihnen durch verschiedene Vermeidungsstrategien dabei Hilfestellung geben kann. Forschungsschwerpunkte waren zum Beispiel die Fragen: Was wissen Verbraucher über Plastik? Sind neue Plastikverpackungsalternativen besser?

So liefen zwei der Versuche ab: Im Supermarkt gab es Datteltomaten in verschiedenen Verpackungen. 53 Prozent der Verbraucher wählten am Ende die alternative Verpackung, obwohl sie etwas teurer war, sagt Thomas Decker vom Fachgebiet Marketing und Management Nachwachsender Rohstoffe der HSWT und dem TUMCS, Projektkoordinator und Mitarbeiter der Stadt. Die Verpackung und der Preis waren aber für die meisten Nebensache. Geschmack, Qualität und Herkunft waren für den Kauf entscheidend. Außerdem gab es Versuche mit Eye-Tracking-Brillen, die aufzeichneten, worauf Kunden beim Kauf achten. Mit Intersport Erdl testete man, für welche Verpackung sich Kunden beim Online-Versand entscheiden – Standardverpackung, nachhaltige Verpackung oder RePack. Das ist ein starker Plastikbeutel, der für die Rückgabe in den nächsten Briefkasten geworfen und zur Sammelstelle zurückgebracht wurde. Das Ergebnis: Nur wenige tendierten zu RePack. Es kostet mehr und der Aufwand war den Verbrauchern zu hoch. Aber auch das war Teil des Projekts: zu sehen, was nicht angenommen wird.

Eines der großen Probleme: Der Kunde hat ein besseres Gewissen, wenn er im Supermarkt eine unverpackte Gurke kauft, weiß aber nicht, dass schon im Vorfeld jede Menge Plastik angefallen ist, bis die Gurke dort überhaupt gelandet ist. Das ist auch im Textilbereich so. Hier fällt laut Decker viel mehr Plastik an, als man am Ende im Laden wirklich sieht – etwa Klebebänder, Kleiderbügel oder Verpackungen für den Transport. Hier habe der Kunde wenig Einfluss. Das Verpackungsaufkommen sei besonders hoch, wenn die Lieferkette lange ist und das Produkt viele verschiedene Stationen durchlaufe.

Ergebnisse des Projekts: Verbraucher können das Problem Plastikverpackungen nicht alleine lösen, sie müssen entlastet und unterstützt werden. Kunden wollen sich aber auch nicht immer einschränken – einfach umzusetzende Möglichkeiten bevorzugen sie. „Für den Kunden darf es nicht zu komplex werden“, sagte Saskia Ziemann vom Projektträger Karlsruhe.

Welche Lösungen gibt es? Übrige Kleiderbügel könne man laut Decker sammeln, schreddern und dadurch ein Filament – eine recycelte Plastikschnur – herstellen. Daraus könne man im 3-D-Drucker wiederum beispielsweise Schnallen für Rucksäcke drucken.Ziel soll sein, so viel Plastik wie möglich wiederzuverwerten. Bald soll es zudem eine App mit einem Plastik-Index geben. Sie sei noch in der Beta-Version. Dort könnten Verbraucher checken, welche Verpackungsform für ein Produkt weniger Plastik vom Erzeuger bis ins Geschäft verursacht hat.

Projektkoordinator Dr. Thomas Decker

Projektkoordinator Dr. Thomas Decker

Das sagen Politiker zum Projekt: Grünen-Bundestagsabgeordneter Erhard Grundl bezeichnete die Arbeit als „wertvoll“. Gewohnheiten gehören verändert, sagte er. „Es ist schwer, aber daran kommen wir nicht vorbei.“ Dafür müsse man Menschen aber auch Möglichkeiten zur Plastikvermeidung an die Hand geben. Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU) sagte: „Wenn wir es ernst meinen und Dinge verändern wollen, müssen wir alle dranbleiben.“ Man habe eine unendlich große Verantwortung für die kommenden Generationen, sagte Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU). CSU-Bundestagsabgeordneter Alois Rainer nannte das Projekt „hoch spannend“. Man müsse die App nun auf jeden Fall bekannt machen.

Was muss die Politik tun? Sie muss zum Beispiel mehr Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette schaffen: Wie viel Plastik fällt an? Hier fehlen die Zahlen. Der freie Markt kann laut Projektergebnis das Plastikaufkommen nicht reduzieren. Die Politik – auch die EU – müsse Rahmenbedingungen schaffen, dass teurere Plastikverpackungsalternativen bei Umweltvorteilen honoriert werden.

Wie verhalte ich mich als Kunde? Regional und saisonal einkaufen ist laut den Experten am besten. Denn je kürzer die Transportwege, desto weniger Plastik wird verbraucht. Außerdem ist es immer sinnvoll, Dinge so oft wie möglich wiederzuverwenden. Man müsse darauf achten, so viel Plastik wie möglich im Kreislauf zu behalten, sagte Decker.

Ist Plastik nur schlecht? Nein, sagt Decker. „Wir wollen Plastik nicht verteufeln. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen.“ Verpackungen seien oft auch wichtig, etwa für die Haltbarkeit und Hygiene.

 

Info: Zur Abschlussveranstaltung gibt es auch einen einen Beitrag von NiederbayernTV: https://deggendorf.niederbayerntv.de/mediathek/video/verplapos-virtuelle-konferenz-durchgefuehrt-von-niederbayern-tv/